Judo-Event mit zweimaliger Europameisterin

Jena Ippon. Der Gegner liegt auf der Tatami. Alina Böhm hat den Dreh raus, demonstriert eine Technik, die aus zwei gegenläufigen Bewegungen besteht. Die zweimalige Europameisterin nennt die Aktion „Spin“. Gespannt schauen sich Nachwuchs-Judoka beim Workshop am Samstag in Jena die Technik-Demo an und machen sich ans Üben. Der Anstoß zum Workshop war von Torsten Böhm gekommen, selbst kein Judoka, aber seit sein Sohn Michele beim SV 1883 Schwarza kämpft, ein begeisterter Anhänger der Kampfsportart und engagierter Vater im Verein, wie er selbst sagt. Und er sah im Netz das eine oder andere Video – mit Alina Böhm in der Hauptrolle. Es entstand die Idee, die Weltklasse-Athletin für einen Trainingstag nach Thüringen einzuladen „Hallo Frau Böhm, hier ist Herr Böhm“, schrieb er ihr und die kuriose Vorgeschichte kam in Gang. Der Kontakt war da und Stefan Giller, Cheftrainer im SV 1883 Schwarza, organisierte den Tag in Jena. Das sei alles unkompliziert gelaufen und dass es nach Jena gehen würde, keine Frage, die Bedingungen am Sportgymnasium geben es einfach her.

Stefan Giller kehrt nach der Wende nach Rudolstadt zurück

Über 70 Nachwuchs-Judoka waren der Einladung gefolgt und absolvierten in der Judohalle des Sportgymnasiums zwei Trainingseinheiten. Judo-Herz, was willst du mehr. Stefan Giller war selbst Judoka, als Athlet des SC Leipzig mehrfacher DDR-Meister, holte Europacup-Medaillen, er kämpfte bis zur Altersklasse U21 international.

Mit der Wende der Umbruch, nichts war mehr, wie es war. Stefan Giller ging zurück nach Rudolstadt. Den SV Schwarza gab es, aber alle Trainer waren weg. „Da habe ich als Trainer angefangen – mit einem Sportler“, erzählt er. Heute trainieren 120 Judoka beim SV 1883 Schwarza und nicht wenige tummelten sich in der Jenaer Judohalle.

Zwischen den beiden Technik-Einheiten erzählte Alina Böhm aus ihrem Leben: Erfolge und Niederlagen, Höhen und Tiefen, das Sportlerleben als Achterbahn. Zwei Kreuzbandrisse erlitt die Baden-Württembergerin, zweimal schaffte sie das Comeback. „Der Körper ist dein Kapital“, sagte sie und gab zu: „Ich habe eine Weile gebraucht, um das zu verstehen, zu verinnerlichen und auch danach zu handeln.“ Als Sportler will man Erfolge, ist einer da, geht es an die nächste Aufgabe, will mehr und mehr, aber mehr sei nicht immer mehr. Sie habe erlebt, wie die Batterie fast leergelaufen war. „Macht das nicht“, sagt sie, denkt an den langfristigen Erfolg, hört auf die Signale eures Körpers und habt einen Plan B. „Ich bin Profisportlerin, werde von der Bundeswehr gefördert. Doch ein zweites Standbein ist wichtig.“ Alina Böhm hat ein Fernstudium Medien- und Kommunikations-Management angefangen, könnte sich vorstellen in der Event-Branche zu arbeiten.

Ihre ersten internationalen Erfolge erkämpfte sie sich 2015 in Sofia, wurde U18-Europameisterin. Und wie das Leben so spielt, sieben Jahre später, in der gleichen Halle in Bulgariens Hauptstadt, holte sie sich ihren ersten EM-Titel bei den Frauen. Aufgewachsen in Böbingen an der Rems, kämpft sie für das Judo-Zentrum Heubach, verteidigte 2023 ihren EM-Titel. Olympia in Paris 2024 konnte kommen. Doch die 78-kg-Athletin musste Anna-Maria Wagner den Vortritt lassen. „Ich habe als Ersatzfrau die komplette Olympia-Vorbereitung mitgemacht, habe mich voll reingehängt. Ich bin nach Paris gefahren, war im olympischen Dorf. Doch es fühlte sich nicht richtig an, zu sehen wie andere meinen olympischen Traum leben.“ Nach Paris nahm sie sich eine dreiwöchige Auszeit, fuhr nach Sri Lanka, ließ es sich gut gehen. Die nacholympische Saison ist längst in vollem Gang, sie hat schon zwei Podestplätze bei Grand-Slam-Turnieren erkämpft, die Weltmeisterschaften in diesem Jahr das große Ziel. Wer Alina Böhm bei ihrer Präsentation in Jena sah, der konnte nicht glauben, dass sie das zum ersten Mal machte. „Der Vortrag hat mir gut gefallen, vor allem, dass sie so offen über alles spricht, wie sie mit Niederlagen umgeht, sich aus einem Tief herauskämpft“, sagt Michele Böhm, 10 Jahre alt und schon zweimal Thüringenmeister – und Vater Torsten ist ebenso angetan vom Verlauf des Workshops mit der zweimaligen Europameisterin.

Und schon ging es in die zweite Trainingseinheit, auf dem Programm auch: unorthodoxe Aktionen. Alina Böhm ist eine Kämpferin, sucht aber auch immer nach ausgefallenen Lösungen, hat sich als kreative Kämpferin einen Namen gemacht. Der Spin ist eine davon. „Ich habe viel durch meine Gegner gelernt, durch Niederlagen. Im Judo gibt es für alles eine Lösung und ich habe geforscht, was für mich die beste Technik ist.“

Da drängt sich die Frage auf, könnte es sein, dass auch mal eine Technik nach ihr benannt wird? „Das hoffe ich doch. Ich denke da an eine bestimmte Bodentechnik von mir.“ Und wird sie nachher zu sehen sein? Sie lacht: „Nein, Bodenkampf ist heute nicht dran.“  

Quelle: OTZ-Beitrag vom 13.03.2025 S. 23 – Andreas Rabel

Foto: OTZ / Jürgen Scheere